Seit dem 17. Juni dieses Jahres gibt es in der Stralsunder Nikolaikirche am Alten Markt eine echte Kuriosität zu bestaunen: Ein mehr als 350 Jahre altes Präparat eines Heringshais ist nach aufwendiger Restaurierung wieder an seinem angestammten Platz zu sehen. Doch Vorsicht – ganz so harmlos, wie man vielleicht denkt, ist dieser Anblick nicht, wie Präparatorin Lena Müller vom Deutschen Meeresmuseum berichtet.

Ein Hai aus dem Gruselkabinett?

Historischen Belegen zufolge wurde das Tier am 20. November 1670 während einer großen Sturmflut bis in die Stadt gespült. Seitdem hängt es, wahrscheinlich über mehrere Jahrhunderte, als einziges Tierpräparat an einer Kette vom Dach des Kirchenschiffs, genauer gesagt an einer Art Galgen an der Orgelterrasse.

Lena Müller, Leiterin der Präparation am Deutschen Meeresmuseum, beschreibt den 1,40 Meter großen Hai mit einem Schmunzeln: „Durch die Eintrocknung sieht er ein bisschen aus, wie wenn er aus dem Gruselkabinett kommen würde.“ Mit seinem aufgerissenen Maul und dem nach innen gewölbten Unterkiefer verbreitet er tatsächlich eine recht unheimliche Atmosphäre. Erstaunlich ist dabei, dass viele Kirchenbesucher die Existenz des Hais gar nicht kannten. Das könnte daran liegen, dass er in etwa zehn Metern Höhe hängt und möglicherweise noch nie zuvor abgehängt wurde.

Jahrhunderte im Staub und die Frage nach Arsen

Obwohl der Hai seit mehreren Jahrhunderten in der Kirche hing, sei sein Zustand erstaunlich gut gewesen, so Müller. Er war zwar mit einer dicken Staubschicht bedeckt und wies einige durch Insektenfraß verursachte Löcher auf, doch die Restaurierung konnte diese Spuren der Zeit beheben. Das gesamte Präparat wurde mit Fischleim behandelt, um die Oberfläche zu stabilisieren.

Eine spannende Frage, die eine beauftragte wissenschaftliche Untersuchung klären soll, ist die nach der genauen Präparationsmethode. „Wurde er nur gesalzen wie etwa der Stockfisch in Norwegen oder wurde bei der Präparation Arsen verwendet?“, fragt sich Lena Müller. Im 17. Jahrhundert war man sich der schädlichen Wirkung von Arsen noch nicht bewusst – im Gegenteil, es wurde sogar zum Aufputschen verwendet. Sicher ist jedoch, dass es damals noch keine professionelle Tierpräparation gab. Autodidakten versuchten mit einfachen Mitteln, Tiere möglichst lebensecht zu konservieren.

Nach Reinigung und Fixierung ist der Hai nun bereit, nochmals mehrere Jahrhunderte die Stralsunder Nikolaikirche zu schmücken und hat das Potenzial, ein neuer Publikumsmagnet zu werden.


Stralsund – Kompetenzzentrum für Meeresforschung

Die Rückkehr des Heringshais in die Nikolaikirche unterstreicht einmal mehr Stralsunds herausragende Rolle im Bereich des Wissenstransfers über Meere und Ozeane. Die Hansestadt ist die Heimat der Stiftung Deutsches Meeresmuseum, deren Standorte Ozeaneum und Meeresmuseum jährlich Hunderttausende Gäste empfangen. Dort werden meeresbezogene Fakten und Forschungsthemen anschaulich in Ausstellungen mit detailgetreuen Exponaten und beeindruckenden Aquarien vermittelt. Der Heringshai in der Nikolaikirche ist somit ein weiteres faszinierendes Puzzlestück in Stralsunds reicher maritimer Geschichte.

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